Taxifahrten
Ankunft in Tiflis. Wir suchen ein Taxi für die Fahrt zu unserem Hostel. Distanz: 18 Kilometer. Natürlich hat jeder das ultimative Angebot. „Taxi? Taxi? You need Taxi?“ Etwas überfordert von den Eindrücken lassen wir uns dann auf den Taxichauffeur Tornike ein. Auf den ersten Blick sehr freundlich und anscheinend ein super Angebot: ca. 80 Georgische Lari. Okay. Los geht’s. Während der Autofahrt ist Tornike am Handy und zeigt uns Videos von Partys. „Tbilisi is best party place! You like party?“. Nun ja, dafür sind wir nicht umbedingt hierher gekommen. Sein Fahrstil - wie soll ich sagen - auch eher sportlich. Am Schluss kostet die rasante Taxifahrt mit Tornike 140 Georgische Lari und da er kein Wechselgeld hat, müssen wir noch oben drauf zahlen.
Zehn Tage später. Wir brauchen mitten in der Nacht ein Taxi zum Flughafen. Distanz: 18 Kilometer. Wir begegnen David, einem super zuverlässigen jungen Mann. Während der Taxifahrt raus aus der Stadt mit dem Song Things I’ve See von Spooks erzählt er uns aus seinem Leben. Er liebt Fussball über alles. Für ihn ist es das Schönste, seine Freunde zu sehen und für seine Familie da zu sein. Wir fragen ihn, ob der Tourismus gut sei für Georgien. Er sagt ja, aber der Partytourismus sei ein grosses Problem. Nach der viel zu kurzen Fahrt zum Flughafen verabschieden wir uns. Er verlangt 40 Lari. Wir geben ihm etwas mehr, da wir noch Geld übrig haben. Auf jeden Fall hat er uns schon zu seiner Hochzeit eingeladen.
Was wir zwischen diesen zwei Taxifahrten erlebt haben, erfährst du, wenn du hier weiterliest oder einfach nur die Bilder anschaust.
Wie Europa in den Sechzigerjahren
Ein neues Land ist immer voll mit Überraschungen. Wie ist das Essen? Wie kleiden sich die Menschen? Was haben die Menschen für Weltanschauungen? Was sind ihre Prioritäten? Wie sind die Städte raumplanerisch gestaltet? Welche Geschichte hat dieses Land?
Unser Eindruck von Tiflis, der Hauptstadt: Wunderschöne Balkone ragen über die Pflastersteinstrassen in der Altstadt. Einzelne historische Gebäude heben sich von den sonst sehr einfachen, teilweise zerfallenen Häusern ab. Grosse, mächtige Kirchen zeugen von der langen Geschichte und Tradition der Stadt. (3000 Jahre alt). Die Restaurants von innen sehen aus wie Grossmutters Stube. Und das Essen ist so lecker als hätte die Grossmutter höchstpersönlich gekocht. Mehr dazu später.
Insgesamt hat uns die Stadt, die Art der Häuser und die Kleidung der Leute etwas an die Sechziger- oder Siebzigerjahre erinnert. Dann war ich noch nicht auf der Welt, aber so stelle ich mir das in etwa vor. Schlaghosen, Plateauschuhe, bauchfreie Tops, Dauerwelle, ausserhalb der Altstadt grosse Wohnblöcke im brutalistischen Stil mit zerfallenen Balkonen.
Auch ein Bummel durch den täglichen Flohmarkt in Tiflis ist ein einzigartiges Erlebnis. Die Verkäufer haben zu jedem Gegenstand eine kleine Geschichte, die sie erzählen. Alte Kameras, Bücher, Werkzeug, Teppiche und alles Erdenkliche haben wir hier gefunden.
Fabrika. Ein Kultort. Dort findet das Nachtleben aber auch das Tagleben statt. Die Jugend trifft sich hier. Hier fühle ich mich als 27-Jährige alt und langweilig. Die Fabrika ist eine altes Gebäude, das in der georgischen Sowjetzeit als Nähfabrik diente. Uns diente es als Hostel und Co-Working Space.
Die Seele baumelt
Wohl der meist unterschätzte Ort der Welt: Udabno. Ein kleines Dorf. Darum herum endlose Weiten. Darin grosse und kleine Kuh- und Schafherden mit ihren Hirten. Und die Landschaften sind atemberaubend. Grün, gelb, braun, rot. Regenbogenfarben. Das Klima ist angenehm (meine WohlfühWltemperatur liegt bei 21.5 Grad Celsius). In Udabno hat es ein sehr einfaches Hostel, wo wir zuerst nur eine Nacht gebucht haben. Nach unserer Ankunft sagen wir aber zueinander: Hier bleiben wir länger. Im Gemeinschaftsraum der Unterkunft hat es ein Klavier, eine Gitarre, Kartenspiele. Es ist ein Ort zum Abschalten, offline gehen, die Seele baumeln zu lassen.
Hier besuchen wir am nächsten Tag auch einen Georgischen Kochkurs. Wir machen Khachapuri, eine Art Pizzabrot mit Käse drin. Dazu gibt es Phkali, geraffeltes Gemüse mit viel Kräutern und Ajapsandali, georgisches Ratatouille. Nana zeigt und alles mit viel Geduld und obwohl sie kein Wort Englisch spricht, verstehen wir uns ausgezeichnet. Während dem Kochen gibt es natürlich schon ein Glas Wein dazu - typisch Georgien. Das Essen ist absolut unterbewertet und enthält eine Mischung aus Italien, der Türkei, aus der orientalischen, aber auch französischen Küche. Nicht einfach zuzuordnen, aber einfach nur LECKER! Falls ihr jemals in Georgien sein werdet - besucht umbedingt diesen Ort: Oasis Club Udabno.
Der schönste Moment
Kennst du das, wenn du einfach tief berührt bist und tiefen Frieden spürst? Ich hatte dieses Gefühl beim Kloster von Davit Gareja. Diesen Ort wurde von uns ebenfalls unterschätzt. „Komm wir gehen doch noch schnell dieses Kloster anschauen, das soll noch schön sein“… Okay. Wir gehen rein uns sehen ein in Stein „gepflanztes“ Kloster. Die Atmosphäre ist wirklich speziell schön. Diese christliche Gebetsstätte befindet sich direkt an der Grenze zu Aserbaidschan, wo sich die arabische und muslimische Welt eröffnet. In der kühlen Brise geniessen wir die Ruhe. Wir sind die einzigen Menschen weit und breit. Die wunderschöne Regenbogenlandschaft umgibt uns. Das ist für mich der schönste Moment.
Alte Höhlenstädte und die Kazchi-Säule
Von Gori, der Geburtsstadt Stalis aus, entdecken wir weitere Teile Georgiens. Schöne Wiesen mit unzähligen Margritten und eine friedliche, ländliche Stimmung herrscht hier. Die Leute sind hier mit halbem Tempo unterwegs und nehmen es gemütlich. Wir besuchen Uplisziche, die älteste Höhlenstadt Georgiens. Hier gibt es Einiges zu entdecken und wir verbringen hier gut eine Stunde mit Felsenklettern und Höhlenwandern.
Die Kazchi-Säule - eine ca. 40 Meter hohe Säule aus Kalkgestein. Und zuoberst ein Kloster und ein Wohnhaus. Seit 1990 wohnt dort oben ein Einsiedler-Mönch und nur zweimal pro Woche verlässt er sein spezielles Zuhause. Seine "Freunde" versorgen ihn mit allem, was er braucht. Leider durften wir ihn nicht besuchen.
Georgische Schweiz (oder schweizerisches Georgien?)
Stepanzminda. Hier schlägt mein „Bergmaitliherz“ höher. Hier riecht es nach Engadiner Bergluft und die Temperatur beträgt sogar noch weniger als meine geliebten 21.5 Grad Celsius. Hier geht ein kalter Wind. Hier kann ich meine Winterjacke anziehen. Und meine Mütze. Hier befinden sich riesige Felswände und hohe Berge. Der höchste ist der Kazbeg. 5054 Meter über Meer. Ein sehr imposanter Berg. Und direkt darunter ist von Stepanzminda aus die Gergeti Dreifaltigkeitskirche zu sehen. Hoch über dem Tal ragt sie auf einem kleineren Berg in die Höhe.
Von hier aus kann man wunderschöne Wanderungen unternehmen. Wir gehen am nächsten Morgen früh los. Vom Bergdorf Juta wandern wir in das Tal hinein zum Chaukhisee, von wo aus wir das gleichnamige Bergmassiv gut sehen können. Wir verbringen einen wunderschönen Wandertag umgeben von plätschernden Bächen, grün-gelben Blumenwiesen und dem schönsten Wetter. Dani badet im kalten Bergsee und danach wärmen wir uns an der Sonne auf. Keinem einzigen Menschen sind wir begegnet. Erst beim Abstieg kommen uns die ersten Wanderer entgegen. Ein wunderschöner Tag.
3000 Jahre alt
Georgien ist ein über 3000 Jahre altes und traditionelles Land. Etwas ausserhalb von der Hauptstadt Tiflis ragen auffällige Blöcke in die Höhe. Von weitem sieht es aus wie ein grosser Würfel, wenn man aber näher kommt sieht man, dass es einzelne Säulen sind. Auf den 16 Säulen ist die Geschichte Georgiens, alle Herrscher Georgiens und die Geschichte von Jesus in Stein gemeisselt. Es ist ein mächtiger, schöner Ort. Auf dem Nachhauseweg gehen wir noch beim Gardenia Shevardnadze vorbei. Ein wunderschönes Gartenparadies und Kaffee und Kuchen, wieder wie von Grossmutter höchstpersönlich.